Weinbau – Arbeit – Miteinander
2022
Ausstellungskonzept:
Gestaltung
Matthias Klos (Grafikdesign)
Brigitta Schmidt-Lauber (Kuratierung)
Maren Sacherer (Kuratierung)
Inhalt
Ernest Wohlschak (Fotografien, Aussagen)
Gertraud Wohlschak (Aussagen)
Maren Sacherer (Text)
Brigitta Schmidt-Lauber (Text)
Weinbau – Arbeit – Miteinander
Der Vizebürgermeister von Retzbach, Alois Binder, kam eines sonntags mit einem USB-Stick voller wertvoller schwarz-weiß Fotografien zu mir, die Ernest Wohlschak für die SchauFenster-Website zur Verfügung stellte. Es schloss sich eine mehrstündige Begegnung mit dem Ehepaar Ernest und Gertraud Wohlschak in Unterretzbach an, bei der wir uns gemeinsam einen Teil der Fotos anschauten und die beiden das Abgebildete kommentierten. Wie bei vorherigen Fotogesprächen habe ich diese Unterhaltung, in der die Fotografie-Leidenschaft Ernests zugleich Einblicke in das Alltagsleben am Land gewährte, aufgezeichnet. Maren Sacherer hat das Gespräch transkribiert und sich in die Aufarbeitung des Materials intensiv eingebracht.
Schon mit 13 Jahren wurde der damalige Schüler von seinem Lehrer, Herrn Direktor Sedlacek, animiert, sich in der Fotografie zu versuchen. Er selbst hatte eine Rolleicord. Diese Kamera durfte Ernest nur anschauen. Sein erster eigener Fotoapparat war eine „Daci-Box“ 6×6. Bis heute hat Ernest Wohlschak eine Dunkelkammer und dutzende Kameras, darunter eine Leica M3 und eine Hasselblad. Die stattliche Sammlung an Fotografien von Ernest Wohlschak zeigt ein gutes Auge für Porträts und Alltagsequenzen, die ein vertrautes Verhältnis zwischen dem Fotografen und den Fotografierten vermittelt. Ernest wurde oft angefragt – als einer der wenigen, die eine Kamera hatten, um Fotos für die Leute aus der Gegend zu machen. Auch Passbilder hat er angefertigt. Die Fotosammlung dokumentiert entsprechend Mitschüler:innen in unterschiedlichen Altersphasen und Situationen, Nachbarskinder oder Verwandte; oft sind Weinlesen im Weingarten der Mutter oder bei anderen Weinbauern, bei denen Familienmitglieder als Helfer:innen beteiligt waren, zu sehen oder auch Festivitäten – wie die vielen Frühjahrshochzeiten, das Weinlesefest mit der Weinbeergoaß sowie Rituale wie die Moribschau zur Grenzbegehung. Auch Alltagssequenzen wie das gemeinsame Federschleißen der Bäuerinnen, Waschen, Lesen, unterschiedlichste Arbeitsabläufe auf Äckern, in Gärten und Wäldern oder mit Tieren finden sich abgebildet.
Das Gespräch mit Ernest und Gertraud brachte anhand der Fotos die damalige Zeit, die 1950er- und 1960er-Jahre in Retzbach, anschaulich zum Vorschein. So entstand die Idee, zur Ausstellung „Weinbau“ Fotos auszuwählen und eine Foto-Collage für das SchauFenster zu erstellen. Es lag in der Region nahe, gerade dieses Thema zu wählen. Nahezu jede:r hat eigene Erlebnisse und Geschichten zum Weinbau zu berichten. Die Veränderungen der Wirtschaftsweisen und Arbeitsbedingungen sind offensichtlich – anhand der Gerätschaften und Transportmittel, der Techniken und Technologien der Weinproduktion, des variierenden Kreises der Helfenden oder der ökonomischen Situation. Auch die Geschlechterverhältnisse der Zeit am Land sind ein Thema. So vermittelt der Weinbau zugleich Hinweise auf soziale Beziehungsmuster am Land, die sich in einem komplexen Geflecht an Unterstützungsleistungen jenseits der Geldwirtschaft realisierten. Weinbau war stets auf ein Miteinander angewiesen.
Und es wurde und wird gefeiert, wobei sich die Abläufe, Klientel und Ziele unterscheiden. Die Weinlesefeste der Mitte des 20. Jahrhunderts waren Ereignisse von regionaler Bedeutung und Teilnahme; die heutigen Weinevents, wie die Weintage in Retz, die Kellergassenfeste oder die Ausschänke am Heiligen Stein hingegen locken eine viel breitere, überregionale Klientel an: Besucher:innen reisen ebenso aus Tschechien und Wien oder anderswoher zu den Alteingesessenen.
So kam das Konzept zur Ausstellung „Weinbau – Arbeit – Miteinander“ zustande. Maren Sacherer und ich suchten passende Fotos aus, arrangierten sie und filterten kontextuelle Zitate aus dem Gespräch mit Ernest und Gertraud Wohlschak heraus. An der Umsetzung des Plakates war maßgeblich auch Matthias Klos beteiligt, der die Fotos professionell bearbeitet und die Collage mit den Textbausteinen gelayoutet hat.
Brigitta Schmidt-Lauber